Ersatzbaustoffverordnung tritt am 1. August in Kraft

Mineralische Abfälle sind der mit weitem Abstand größte Abfallstrom. Dazu gehören vor allem Bau- und Abbruchabfälle und Böden, aber auch z. B. Schlacken aus der Metallindustrie sowie Aschen aus thermischen Prozessen. Dabei handelt es sich um etwa 200 Mio. Tonnen/Jahr, von denen bisher lediglich etwa 70 Mio. Tonnen/Jahr der stofflichen Verwertung zugeführt werden, auch wenn diese Abfälle zum größten Teil stofflich verwertbar sind. Dem steht ein Bedarf der Bauwirtschaft von etwa 600 Mio. Tonnen/Jahr gegenüber. Auch wenn sämtliche mineralischen Bauabfälle zur Verwertung gelangen sollten, könnte der Bedarf der Bauwirtschaft damit nicht gedeckt werden. Hinzu kommt, dass in der Bauwirtschaft der Bedarf an Sekundärbaustoffen weiter wächst, da die Gewinnung primärer Rohstoffe zunehmend schwierig wird. Gesetzliche Rahmenbedingungen für die Verwertung von Sekundärrohstoffen, die bundesweit gelten und die auf Akzeptanz stoßen, sind deshalb für die gesamte Bauwirtschaft von größter Bedeutung.

Mit der Ersatzbaustoffverordnung tritt nunmehr am 1. August ein neues Regelwerk in Kraft, das Anforderungen an die Verwertung von mineralischen Abfällen und Nebenprodukten regelt. Zeitgleich wird auch eine Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung, der Gewerbeabfallverordnung und der Deponieverordnung im Rahmen der sogenannten Mantelverordnung wirksam.

Es ist damit zu rechnen, dass das sehr umfangreiche und für die Praxis sehr bedeutsame neue Regelwerk viele Fachfragen, aber auch Rechtsfragen aufwerfen wird.

Die Verordnungen haben eine 18jährige Vorgeschichte. 2005 nach der sogenannten zweiten Tongrubenentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts baten die Länder den Bund, bundeseinheitliche Regelungen zur Verwertung mineralischer Abfälle zu treffen. Bereits 2004 hatte die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall Eckpunkte für eine Bundesverordnung formuliert, um ein kompliziertes Nebeneinander von Abfallrecht und Bodenschutzrecht sowie unterschiedliche Leitlinien zum Vollzug von Abfall- und Bodenschutzrecht in den Ländern zu beenden. Es folgten langwierige, höchst streitige Auseinandersetzungen zwischen Bund, Ländern und Wirtschaft, denen verschiedene Arbeitsentwürfe zugrunde lagen und erst 2017 in einen Verordnungsentwurf der Bundesregierung mündeten. Die kontroversen Diskussionen im Rahmen der Abwägung des Gesetzgebers zwischen Boden-- und Wasserschutz, Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung waren damit jedoch nicht beendet. Selbst als der Bundesrat im November 2020 mit erheblichen Maßgaben durch über 100 Änderungsanträge dem Verordnungsentwurf zustimmte, drohte dieser wegen eines aufgekommenen Dissenses in der Bundesregierung zu scheitern. Schlussendlich wurde der politischen Kontroverse mit einer „Länderöffnungsklausel“ Rechnung getragen.

An der bekannt gemachten Verordnung ist abzulesen, dass im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sämtliche Regelungen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft, insbesondere zu den Anforderungen für die Einstufung mineralischer Materialien als Nebenprodukt sowie zum Ende der Abfalleigenschaft entfallen sind, sich jedoch im Ergebnis die Ableitung der Materialwerte aus dem Bodenschutz und aus den Geringfügigkeitsschwellenwerten der Grundwasserverordnung durchgesetzt haben. Somit bleiben die durch das Abfallrecht eröffneten Wege zum Nebenprodukt und zum Abfallende dem Abfallbesitzer, -aufbereiter oder Verwender der Ersatzbaustoffe durch Einzelfallentscheidung vorbehalten.

Wie nachfolgend dargestellt wird, hat die Ersatzbaustoffverordnung in der vorliegenden Fassung weiterhin nicht alle für den Vollzug wichtigen Fragen beantwortet.

Noch vor Inkrafttreten der schon vor zwei Jahren veröffentlichten Ersatzbaustoffverordnung legte die Bundesregierung eine 1. Verordnung zur Änderung der Ersatzbaustoffverordnung vor, die ebenfalls am 1. August in Kraft tritt. Der Bundesrat hat zwar der Änderungsverordnung zugestimmt, aber gleichzeitig in einer Entschließung festgestellt, dass weiterhin „Probleme beziehungsweise Unklarheiten für den Vollzug der Ersatzbaustoffverordnung“ bestehen. Der Bundesrat bat daher die Bundesregierung, „kurzfristig“ eine Reihe von ihm genannter Änderungen der Ersatzbaustoffverordnung mit einer weiteren Änderungsverordnung vorzunehmen. Es wurde angeregt, die Anpassungen „spätestens im Zusammenhang mit der in Umsetzung des Koalitionsvertrages angekündigten eigenständigen Verordnung zur Bestimmung des Endes der Abfalleigenschaft für bestimmte mineralische Ersatzbaustoffe“ vorzunehmen.

Die massiv vorgetragene Erwartung aus der Praxis, dass die Bundesregierung im Interesse einer Akzeptanzförderung von Ersatzbaustoffen als Sekundärrohstoff in der Verordnung festlegen solle, wann mineralische Abfälle, die bestimmte, in der Verordnung vorgegebene Materialwerte, Anforderungen an die Gütesicherung und Einbauweisen erfüllen, nicht mehr als Abfälle gelten, wurde weder in der vor zwei Jahren veröffentlichten Ersatzbaustoffverordnung erfüllt noch in der nun beschlossenen ersten Änderungsverordnung. Vielmehr kündigte die Bundesregierung an, dies in einer weiteren Verordnung zu regeln.

Die neue Ersatzbaustoffverordnung löst Merkblätter und Rundschreiben der Bundesländer, in denen Anforderungen an die Verwertung mineralischer Abfälle geregelt waren, ab. Eine Verwertung als Ersatzbaustoff ist nur noch möglich, wenn dieser den Materialklassen der Ersatzbaustoffverordnung entspricht und eine in der Verordnung vorgeschriebene Güteüberwachung durchgeführt worden ist. Dazu gehören Eignungsnachweise, eine werkseigene Produktionskontrolle sowie eine Fremdüberwachung. Dabei gelten Vorgaben zur Probenahme und Analytik mit teilweise anderen als bisher von den Ländern geforderten Untersuchungsverfahren. Deswegen werden die Untersuchungser­gebnisse nach den Anforderungen in der Verordnung nicht mehr mit den Ergebnissen nach den früher geltenden Vorschriften vergleichbar sein. In der ersten Änderungsverordnung wurden u.a. Kriterien für die Anerkennung von Güteüberwachungsgemeinschaften festgelegt.

Zwischenzeitlich sind von den Ländern, aber auch von verschiedenen Institutionen Leitfäden und Handlungshilfen zum Vollzug der bundesrechtlichen Vorschriften nicht nur für die Übergangszeit bis zum 1. August, sondern auch für die Zeit danach, erlassen bzw. erarbeitet worden, so dass abzuwarten bleibt, wie sich die Umsetzung der Verordnung in der Praxis gestalten wird.

Prof. Dr. Gottfried Jung
gottfried.jung@SPAMPROTECTIONkunzrechtsanwaelte.de


Prof. Dr. Wolfgang Klett
wolfgang.klett@SPAMPROTECTIONkunzrechtsanwaelte.de